Barmherzig wie der Vaters sein und sich was gönnen, ein Widerspruch?!

"Barmherzig, geduldig und gnädig ist er.....", so heißt es in einem Lied. Gemeint ist Gott damit. Dass Gott so ist,  fällt uns manchmal schwer zu glauben, dass wir anderen gegenüber als Gottes Ebenbild auch so sein sollen, fällt uns oft genug schwer im Handeln, und dass wir uns selbst gegenüber barmherzig, geduldig und gnädig begegnen sollen, darin darf ich mich auch immer wieder aufs Neue üben. Wir sind oft Meister der Leistung, Meister der eigenen inneren Verurteilung und Anklage, Meister der Zeitoptimierung, Meister in der Opferrolle, Meister im Vergleichen...... Wie wäre es, wenn wir ein Meister der Barmherzigkeit, ein Meister der Geduld und der Gnade uns selbst gegenüber werden würden? Ja, aber klingt das nicht nach Ego-Trip? Nein, es ist kein Ego-Trip, sondern unsere zutiefst von Gott gegebene Aufgabe: uns selbst zu lieben, anzunehmen, unsere Talente und Visionen zu entdecken und für uns gut zu sorgen.  Das wird und kann kein anderer für uns übernehmen. Nur aus dieser Haltung heraus, können wir unseren schöpferischen Auftrag für die Welt erfüllen, ohne selbst Schaden zu nehmen. "Ein barmherziger Mensch tut seiner eigenen Seele etwas Gutes, ein grausamer aber schneidet sich ins eigene Fleisch." (Spr 11,17 SLT)  Wir schneiden uns ins Fleisch, wir schneiden unserer Ressourcen, unsere Möglichkeiten, unsere Lebensqualität und Lebensfreude ab, wenn wir uns nichts gönnen, wenn wir nichts mehr genießen können, weil wir nur im "Keine-Zeit- und im "Tun-Modus" sind,  wenn wir nicht auf die Bedürfnisse unserer Seele und unseres Körpers hören. Wer sich schon mal geschnitten hat, der weiß, dass man dann blutet. Lebensenergie, Lebenssaft fließt heraus, es bleibt eine Wunde. Wenn wir uns immer weiter schneiden, unsere inneren Bedürfnisse missachten, unbarmherzig mit uns sind, verlieren wir mehr und mehr an Leben, bluten wir aus und wundern uns dann, warum die Lebensfreude abhanden gekommen ist.  Bereits Bernhard von Clairvaux hat Papst Eugen III. im 12. Jahrhundert einen Brief geschrieben, als sein Freund, wo er ihn daran erinnert, weil er in Sorge um ihn ist: ".....Wenn du ganz und gar für alle da sein willst, nach dem Beispiel dessen, der allen alles geworden ist (1 Kor 9,22), lobe ich deine Menschlichkeit - aber nur, wenn sie voll und echt ist. Wie kannst du aber voll und echt sein, wenn du dich selbst verloren hast? Auch du bist ein Mensch. Damit deine Menschlichkeit allumfassend und vollkommen sein kann, musst du also nicht nur für alle anderen, sondern auch für dich selbst ein aufmerksames Herz haben...."   Gott selbst geht uns mit gutem Beispiel voran. Am siebten Tag ruhte er, blickt auf seine Tagwerke zurück und stellt fest, dass alles sehr gut ist.  Sicherlich war er nicht müde. Ich bin mir sicher, er wollte uns ein Beispiel geben. Wir sind sein Ebenbild, also sollen wir auch ruhen, rasten und verkosten. In Jesus können wir diese Haltung auch erkennen. Immer wieder zieht er sich von der Menschenmenge zurück, sucht die Einsamkeit und das Gespräch mit dem Vater, wobei er doch als Sohn Gottes in dieser "verschwendeten", an sich selbst und den Vater geschenkten Zeit so viele Wunder hätte tun können. Es ist gut, wenn wir uns hin und wieder, am besten regelmäßig, allem Müssen und Sollen, den täglichen Aufgaben und Zwängen entziehen, die Arbeit unterbrechen, innehalten um Atem zu holen und uns eine Auszeit gönnen. Wie wäre es, Termine nicht nur mit anderen, sondern auch mit uns selber auszumachen? Wie wäre es, ab und zu im Terminkalender ein großes "ICH" einzutragen? Da bin ich besetzt. Da hab ich schon etwas, einen Termin mit mir selbst und Gott, z. B. für einen "unverzweckten" Spaziergang, in der Sonne sitzen, staunen und lauschen lernen.....

Wie wäre es, wenn die Stimme in unserem Kopf freundlich, gnädig, barmherzig und geduldig zu uns sprechen würde, wie mit einem guten Freund? Würde uns das nicht zu mehr Selbstachtung, Selbstliebe, zu innerem Wachstum und Ausgeglichenheit führen, und würde es nicht auch dazu führen, dass wir auch mit anderen noch gnädiger, liebender, verständnisvoller umgehen könnten? Alles beginnt im eigenen Herzen. Innen gut, alles gut! Lass Güte walten. Machs wie Gott: nimm dir Zeit, nimm dir Ruhe,  bestaune und feiere deine Werke, deine Siege

Für die bevorstehende Urlaubszeit ist mein Gebet für dich und mich mit den Worten Salomos: "Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht." (1 Kön 3,9)

Hab ein hörendes Herz auf deine Bedürfnisse, deine Gefühle, deine Grenzen, deine Visionen, deinen Körper, denn wir regieren mit unseren Gedanken, Worten und Werken unser eigenes Leben.

Ein hörendes Herz hilft uns, das Gute und das Böse für unser Leben zu unterscheiden, ein hörendes Herz lässt uns Gottes Stimme hören, und es schützt uns davor, immer weiter Lebensfreude, Energie, Stärke,  Zuversicht und inneren Frieden zu verlieren.